April 14, 2024

Wachkoma und Apallisches Syndrom: Behandlung und Lebensführung

Alles Wissenswerte über Wachkoma und Apallisches Syndrom


Autor:
IHM Experten-Team
Intensivpflege-Team bei IHM
Inhaltsverzeichnis

Das Wichtigste in Kürze

  • Wachkoma und apallisches Syndrom sind Zustände schwerer Bewusstseinsstörungen mit erheblichen Auswirkungen auf Betroffene und Angehörige.
  • Ursachen umfassen Schädel-Hirn-Traumata, Hypoxie, Infektionen und mehr, die zu umfassenden Hirnschädigungen führen.
  • Diagnostische Verfahren beinhalten neurologische Untersuchungen, MRT, CT, EEG und weitere bildgebende Techniken.
  • Therapieansätze zielen auf die Verbesserung der Lebensqualität durch multidisziplinäre Rehabilitation und unterstützende Pflege.
  • Die Pflege beinhaltet die Überwachung der Vitalfunktionen, Ernährungsmanagement und Prävention von Sekundärkomplikationen.
  • Kommunikation und emotionale Unterstützung spielen eine entscheidende Rolle in der Pflege und Rehabilitation.
  • Rechtliche und ethische Aspekte erfordern sorgfältige Überlegungen und die Beachtung des Patientenwillens.

Was ist ein Wachkoma?

Ein Wachkoma, medizinisch auch als vegetativer Zustand bezeichnet, ist eine Form der Bewusstseinsstörung, bei der Patienten wach erscheinen, jedoch keine Anzeichen von bewusstem Wahrnehmen oder Reagieren auf die Umgebung zeigen. Diese Patienten erleben einen Wechsel zwischen Schlaf- und Wachzuständen, zeigen jedoch keine zweckmäßigen Reaktionen auf Stimuli.

Apallisches Syndrom

Das apallische Syndrom, oft auch als persistierender vegetativer Zustand erwähnt, tritt auf, wenn ein Patient nach dem Wachkoma keinerlei Zeichen von Bewusstsein zeigt. Die grundlegenden körperlichen Funktionen wie Atmung und Kreislauf sind erhalten, aber es gibt keine erkennbare Reaktion auf die Umwelt. Die Unterscheidung zwischen Wachkoma und apallischem Syndrom liegt in der Dauer und den Erholungschancen: Ein apallisches Syndrom gilt als lang anhaltender Zustand mit geringen Aussichten auf Erholung.

 Symptome des Wachkomas und apallischen Syndroms

Personen, die von einem Wachkoma oder apallischen Syndrom betroffen sind, zeigen trotz einiger erhaltener grundlegender Funktionen des Gehirns keine Anzeichen bewussten Wahrnehmens oder Reagierens auf ihre Umwelt:

  • Augenöffnung: Betroffene können ihre Augen öffnen, was oft fälschlicherweise als Zeichen des Bewusstseins interpretiert wird.
  • Schlaf-Wach-Rhythmus: Es existiert ein Schlaf-Wach-Zyklus, der jedoch nicht zwangsläufig dem natürlichen Tag-Nacht-Rhythmus folgt.
  • Grundlegende Reflexe: Die Fähigkeit zu atmen, saugen, kauen, husten, würgen, schlucken und Kehllaute zu erzeugen, bleibt teilweise erhalten.
  • Reflexartige Reaktionen: Bei starken Geräuschen können Schreckreaktionen auftreten, und es kann zu scheinbaren emotionalen Ausdrücken wie Lächeln oder Stirnrunzeln kommen.

Diese Reaktionen sind jedoch nicht als bewusste Handlungen zu verstehen, sondern resultieren aus automatischen Grundreflexen. Die betroffenen Personen sind sich weder ihrer selbst noch ihrer Umgebung bewusst und zeigen keine willentlichen Reaktionen oder Bewegungen.

  • Fehlende bewusste Handlungen: Patienten im Wachkoma sind unfähig zu sprechen, Anweisungen zu folgen, ihre Gliedmaßen bewusst zu bewegen oder auf Stimuli gezielt zu reagieren.
  • Bewusstseinsverlust: In den meisten Fällen ist die Fähigkeit zu Bewusstsein, Denken und bewusstem Verhalten vollständig erloschen. Bei einigen Patienten weisen spezifische Untersuchungen wie funktionale Magnetresonanztomografie (fMRT) oder Elektroenzephalografie (EEG) auf minimale Gehirnaktivitäten hin, die auf ein residuales Bewusstsein hindeuten könnten. Diese Zustände werden als verdecktes Bewusstsein bezeichnet und treten vornehmlich bei Patienten mit Kopfverletzungen auf.
  • Autonome Funktionen: Trotz des Verlusts von Bewusstsein und kognitiven Fähigkeiten bleiben autonome Funktionen wie Blasen- und Darmkontrolle teilweise intakt, wenngleich die Betroffenen in der Regel inkontinent sind.

Diese Symptome verdeutlichen die Komplexität und Schwere des Wachkomas und des apallischen Syndroms und unterstreichen die Notwendigkeit einer umfassenden und einfühlsamen Betreuung und Behandlung der Betroffenen.

Ursachen und Diagnose

Die Ursachen für das Eintreten eines Wachkomas sind vielfältig und umfassen verschiedene Arten von schweren Schädigungen des Gehirns. Eine der häufigsten Ursachen ist ein Schädel-Hirn-Trauma, beispielsweise nach einem Verkehrsunfall, einem Sturz oder einer Gewalteinwirkung. 

 Weitere Ursachen können sein:

  1. Hypoxische oder ischämische Insulte: Sauerstoffunterversorgung des Gehirns, z.B. durch Herzinfarkte oder schwere Infektionen.

  2. Gehirnerkrankungen: Wie Enzephalitiden oder umfangreiche Schlaganfälle. Diese Schädigungen führen zu einer ausgedehnten Unterbrechung der normalen Hirnfunktionen, insbesondere im Bereich der Hirnrinde und des Thalamus, die für das Bewusstsein eine wesentliche Rolle spielen.

Die Diagnose eines Wachkomas baut zunächst auf einer umfassenden klinischen Beobachtung und neurologischen Untersuchung auf. Die Beurteilung der Bewusstseinslage ist dabei zentral. Neurologen führen Tests durch, um das Bewusstsein und die Reaktionen des Patienten auf verschiedene Reize zu erfassen. Diese Tests beinhalten auch die Prüfung von Reflexen, die Notwendigkeit von Schutzreaktionen und das Durchführen von Schmerzstimuli, um zu sehen, ob der Patient darauf reagiert.

 Zusätzlich kommen die folgenden Verfahren zum Einsatz: 

  • Bildgebende Verfahren: MRT, CT zur Analyse von Struktur und Schäden.

  • Elektrophysiologie: EEG zur Überwachung der Hirnaktivität.

  • Weitere Scans: PET, SPECT zur Beurteilung von Durchblutung und Stoffwechsel.

Diese Untersuchungen helfen dabei, das Ausmaß der Hirnschäden zu bewerten und geben insbesondere Auskunft darüber, welche Gehirnregionen noch funktionstüchtig sind oder sich im Ruhezustand befinden.

Durch eine frühe und genaue Diagnostik kann man den Verlauf der Erkrankung abschätzen und geeignete Behandlungsmaßnahmen einleiten. 

Behandlungsmöglichkeiten und Therapien

Bei der Behandlung von Patienten im Wachkoma oder mit einem apallischen Syndrom liegt der Fokus auf der Verbesserung der Lebensqualität und der Linderung begleitender Symptome durch individuell angepasste Therapieansätze.

Therapiebereich Ziel und Methoden
Frühzeitige Rehabilitation Ganzheitlicher Ansatz, inklusive medizinischer, physiotherapeutischer, ergotherapeutischer und logopädischer Maßnahmen.
Physiotherapie Erhaltung der Gelenkbeweglichkeit, Vorbeugung von Kontrakturen und Muskelschwund, passive Bewegungsübungen und Lagerungstechniken.
Ergotherapie Förderung sensorischer und kognitiver Fähigkeiten durch taktile, visuelle, auditorische und olfaktorische Reize. Einbeziehung in alltägliche Handlungen.
Logopädie Behandlung von Schluckstörungen, Erhalt und Verbesserung der Kommunikationsfähigkeit durch spezialisierte Techniken.
Neuropsychologische Betreuung Aktivierung und Unterstützung kognitiver Prozesse. Einsatz von neurostimulativen Verfahren bei manchen Patienten.
Medikamentöse Therapie Behandlung von Spastiken, Schmerzen, epileptischen Anfällen. Sorgfältige Überwachung der Pharmakodynamik.
Vibration Spüren von Körpertiefe und -fülle
Taktile Berührung Anregung des Tastsinns
Akustische Reize Stimulation des Hörsinns mit Klängen
Visuelle Reize Anregung der Sehwahrnehmung
Geruch Aktivierung des Geruchssinns
Geschmack Stimulierung des Geschmackssinns

Prognose

Die Aussichten für Personen, die sich in einem Wachkoma befinden, variieren stark und hängen von verschiedenen Faktoren ab, wie der Ursache der Hirnschädigung, dem Schweregrad der Verletzung und dem Alter des Betroffenen. 

Einige Patienten können sich spontan, wenn auch meistens unvollständig, von einem Wachkoma erholen. Die Chancen auf eine Besserung stehen bei Kopfverletzungen, umkehrbaren metabolischen Störungen oder Medikamentenüberdosierungen besser als bei schweren Schlaganfällen oder nach einem Herzstillstand. Jüngere Personen haben oft bessere Chancen, motorische Funktionen zurückzugewinnen, obwohl die Unterschiede in Bezug auf geistige Funktionen, Verhalten und Sprachfähigkeiten weniger ausgeprägt sind.

Langfristig ist die Wahrscheinlichkeit, dass ein Patient das Bewusstsein zurückerlangt, gering, wenn das Wachkoma über mehrere Monate anhält. Diejenigen, die sich erholen, bleiben in der Regel schwer beeinträchtigt. Ist das Wachkoma nicht durch eine Kopfverletzung bedingt, ist die Aussicht auf Genesung nach einem Monat gering. 

Bei Kopfverletzungen sinkt die Wahrscheinlichkeit des Aufwachens nach 12 Monaten erheblich. Dennoch kann es bei einigen Patienten über Monate oder Jahre hinweg zu Verbesserungen kommen, und in seltenen Fällen werden späte Fortschritte erzielt. Nach fünf Jahren haben etwa 3% der Patienten die Fähigkeit zur Kommunikation und zum Verständnis zurückerlangt, aber nur wenige können eigenständig leben und nur eine sehr kleine Anzahl erreicht eine normale Funktionsfähigkeit.

Die meisten Menschen im Wachkoma versterben innerhalb der ersten sechs Monate nach der Hirnschädigung, wobei die meisten Überlebenden zwischen zwei und fünf Jahre leben. Häufige Todesursachen sind Atemwegs- oder Harnwegsinfektionen oder das Versagen mehrerer Organe. Manchmal tritt der Tod auch plötzlich und unerwartet ein. Einige Patienten leben jedoch viele Jahre weiter.

Berichte über Patienten, die nach einem langjährigen Wachkoma oder einem minimalen Bewusstseinszustand teilweise wieder zu Bewusstsein kommen oder aufwachen, beziehen sich meist auf solche, die nach einer Kopfverletzung minimales Bewusstsein zeigen. Die Erholungschancen aus einem minimalen Bewusstseinszustand sind ungewiss, aber tendenziell besser als aus einem Wachkoma.

Pflege bei Wachkoma-Patienten

Die Pflege von Wachkoma-Patienten ist komplex und vielschichtig. Sie beinhaltet:

  1. Kontrolle der physischen Gesundheit:

  • Überwachung von Vitalfunktionen.

  • Management von Ernährung und Flüssigkeitszufuhr.

  • Vorbeugung und Behandlung von Infektionen und anderen medizinischen Komplikationen.

  1. Vermeidung von Sekundärkomplikationen:

  • Vorbeugung von Druckgeschwüren durch regelmäßige Umlagerung.

  • Aufrechterhaltung von Hygiene durch regelmäßige Körperpflege.

  1. Förderung vorhandener Fähigkeiten:

  • Einsatz von basaler Stimulation zur Förderung der Wahrnehmung und Reaktion.

  • Anwendung von Physiotherapie und Ergotherapie zur Erhaltung der Gelenkbeweglichkeit und Muskelfunktion.

  1. Emotionale Unterstützung:

  • Aufbau einer emotionalen Beziehung zum Patienten.

  • Sensible Kommunikation und respektvoller Umgang.

Diese Maßnahmen tragen dazu bei, die Lebensqualität der Patienten zu verbessern und ihnen und ihren Angehörigen Unterstützung in einer schwierigen Lebensphase zu bieten.

Es ist wichtig, dass die beteiligten Fachkräfte eng zusammenarbeiten, um die Behandlungs- und Pflegepläne aufeinander abzustimmen und anzupassen. Wir unterstützen Betroffene und ihre Familien nicht nur durch fachliche Expertise, sondern auch durch ein Netzwerk aus therapeutischen und pflegerischen Dienstleistungen. 

Rehabilitation und Neurorehabilitation

Die Rehabilitation und Neurorehabilitation von Menschen mit schweren Bewusstseinsstörungen, wie dem Wachkoma, ist eine komplexe und herausfordernde Aufgabe. Sie zielt darauf ab, die Hirnleistung und motorische Funktionen der Betroffenen zu verbessern und zu erhalten. Dies beinhaltet vielfältige Therapieansätze:

  • Physiotherapie: Fokussiert auf die Wiederherstellung der Bewegungsfähigkeit und Muskelstärke.

  • Ergotherapie: Hilft bei der Wiedergewinnung alltäglicher Fähigkeiten und Selbstständigkeit.

  • Logopädie: Unterstützt die Verbesserung der Kommunikationsfähigkeiten und des Schluckvermögens.

  • Neuropsychologische Therapie: Fördert kognitive Funktionen und hilft bei der Verarbeitung emotionaler Herausforderungen.



Aufwachphase und Kommunikation

In der Aufwachphase beginnen die Patienten, erste Anzeichen von Bewusstsein zu zeigen. Diese Phase erfordert besonders aufmerksame Pflege und den Einsatz feinfühliger Kommunikationstechniken:

  • Beobachtung und Reaktion: Achten auf minimale Bewusstseinszeichen, wie Augenbewegungen oder Gesichtsausdrücke.

  • Nonverbale Kommunikation: Einsatz von Gesten, Mimik und Berührung.

  • Spezielle Hilfsmittel: Einsatz von Kommunikationstafeln oder elektronischen Geräten zur Unterstützung der Kommunikation.

  • Einbeziehung der Angehörigen: Wichtig für den emotionalen Beistand und zur Stärkung der Bindung.

Diese Methoden erleichtern die Kommunikation mit dem Patienten und helfen, jeden Fortschritt zu unterstützen.

Rechtliche und ethische Aspekte

Die Behandlung von Patienten im Wachkoma wirft rechtliche und ethische Fragen auf, insbesondere wenn es um lebenserhaltende Maßnahmen und Therapien geht. Angehörige stehen oft vor schwierigen Entscheidungen und müssen dabei den Willen des Patienten respektieren. Eine Patientenverfügung kann in solchen Situationen hilfreich sein, um die Wünsche des Patienten zu berücksichtigen. Diese Entscheidungen erfordern eine gut informierte Grundlage und eine sorgfältige Abwägung aller Aspekte.

Fazit

Wachkoma und apallisches Syndrom stellen eine große Herausforderung für alle Beteiligten dar. Der Weg ist von Ungewissheit geprägt, doch mit einer professionellen Herangehensweise, den richtigen Informationen und Unterstützungsangeboten können Patienten und ihre Angehörigen gestärkt und mit mehr Sicherheit diesen schwierigen Lebensabschnitt bewältigen. Wir bei IHM möchten Ihnen mit Rat und Tat zur Seite stehen – nehmen Sie gerne jederzeit Kontakt mit uns auf.

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